Fränzi Fährmann zeichnet

Im August 1910 fuhren Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner – wie schon 1909 – an die Moritzburger Teiche, um zu zeichnen. Diesmal war Max Pechstein dabei – und wie immer auch „Fränzi“, das erst 9 ¾ Jahre alte „Modell“, das mit seiner Lebendigkeit, seinem Bewegungsdrang, seiner ansteckenden Fröhlichkeit, seiner vorpubertären Unbekümmertheit immer erneut für spontane, unerwartete Situationen, überraschende Anregungen und eine aufbrechende Kreativität sorgte. Und so füllten sich die Seiten in Kirchners Skizzenbuch – nicht weniger als 30 Blätter, schnell hingeworfen, geschaffen „In der Ekstase des ersten Sehens.“

Aber es geschah noch etwas. Etwas, das sich nie zuvor; das sich auch später nicht noch einmal ereignete: Fränzi „schnappte“ sich Kirchners Skizzenbuch, seinen Blei- und seinen grünen Farbstift. Sie betrat Kirchners heiliges Terrain und ‚kritzelte‘ mit allen Merkmalen ihrer kindlichen Unbefangenheit eine Szene „Drei Künstler auf dem Wege zu den Teichen“, dann vier weitere Szenen am Schilfgürtel und dem schmalen Durchlass zur offenen Wasserfläche; ein Schmetterling taumelt über den Badenden. Sie ‚künstlert‘ – und Kirchner lässt es zu – nur hier im Skizzenbuch auf drei Blättern (Presler Skb 13-5,8r,8v), und nur hier auf diesem Blatt: recto, verso.

Insgesamt also fünf Blätter ! Ein singulärer Vorgang bei Kirchner – vielleicht sogar ein singulärer Vorgang in der Kunstgeschichte. Die farbige Ausführung mit grünem Farbstift und einer Spur von Rot gehörte lange zur Sammlung EWK (Eberhard W. Kornfeld). Vor Jahren konnte die Zuordnung geklärt werden: Dieses – lange versehentlich Kirchner als „Kinderzeichnung“ zugeschriebene Blatt – stammt von „Fränzi“! Der Auktionator schrieb das Ergebnis unseres Austausches auf das Passepartout: „Presler sagt: von Fränzi“.